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	     Politik (Archiv 2012)
	   
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Israel ist ein Apartheidsstaat [05.02.2012]
	 
Am Anfang der Diskussion der Frage, ob Israel ein 
Apartheidsstaat ist oder nicht, steht die Betrachtung 
der Apartheids-Definition.
Was ist Apartheid?
Die 1973 verabschiedete International Convention for 
the Suppression and Punishment of the Crime of Apartheid
definiert Apartheid als ‘inhuman acts comitted for the purpose 
of establishing and maintaining domination by one racial group 
of persons over any other racial group of persons and systematically 
oppressing them’. D.h., sie definiert Apartheid als 'inhumane Akte zu dem 
Zweck der Herbeiführung und Aufrechterhaltung der Dominanz 
einer rassischen Gruppe von Personen über eine andere rassische
Gruppe von Personen sowie deren systematische Unterdrückung'.
Das Gründungsdokument des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC), das Rome Statute definiert Apartheid etwas knapper als ‘an institutionalized regime of systematic oppression and domination by one racial group over any other racial group.’ D.h. es definiert Apartheid als 'institutionalisierte Herrschaft durch die systematische Unterdrückung und Dominanz einer rassischen Gruppe über eine andere rassische Gruppe'.
Bei der Betrachtung Israels muss der Begriff der 'rassische Gruppe' ('racial group') natürlich als politisch/soziologisches Konstrukt verstanden werden. Für die Frage nach dessen Apartheidscharakter kommt es nicht darauf an, ob man bei Juden und Palästinensern in einem biologistischen Sinn um Rassen sprechen kann. Es kommt vielmehr darauf an, ob es zwischen den beiden Gruppen - Juden und Palästinensern - eine ausreichend scharfe, institutionalisierte Abgrenzung gibt, welche die eine Gruppe zu Lasten der anderen privilegiert - hier - Juden zu Lasten der Palästinenser.
Ein 'Jüdischer Staat' ist ein Apartheidsstaat
Der Umstand, dass sich Israel in seiner Unabhängigkeitserklärung ganz offen als jüdischer Staat definiert - obgleich heute nahezu 50% der Bevölkerung unter seiner Kontrolle keine Juden sind - beantwortet die Frage nach seinem Apartheidscharakter ganz unmissverständlich mit einem 'ja'.
Folgerichtig hat die UN im Jahr 1975 in der UN-Resolution 
3379 die Ideologie des Judenstaates, den Zionismus, als eine Form 
von Rassismus verurteilt.
Nachdem Israel die Rücknahme dieser Resolution jedoch zur Voraussetzung 
für die Teilnahme an den Madrider Friedenskonferenz 
im Jahr 1991 machte, wurde sie von der UN wieder zurückgezogen.
(Die Verhandlungen in Madrid mündeten bekanntlich in die Oslo-Verträge, welche die Situation der Palästinenser unter israelischer Herrschaft noch einmal dramatisch verschlechterten.)
Israels Apartheidspraxis
Die Selbstdefinition Israels als 'Judenstaat' ist zweifellos ein starker Indikator für dessen Apartheidscharakter. Zur Untermauerung dieses Befundes ist es jedoch erforderlich, Israels konkrete Herrschaftspraktiken zu begutachten.
Im Apartheids-Südafrika basierte die Apartheid auf folgenden drei Säulen:
I. Der institutionalisierten Definition rassischer Grenzen zwischen den 
   Bevölkerungsgruppen, sowie einer damit 
   einhergehenden institutionellen Diskriminierung.
II. Der räumliche Trennung - Segregation - zwischen den verschiedenen 
    Bevölkerungsgruppen.
III. Dem Einsatz disproportionaler Gewalt, um die Diskriminierung 
     und Segregation der unterdrückten Gruppe aufrecht zu erhalten.
Diese drei Säulen finden sich auch in Israel wieder:
I. Säule: Institutionelle Diskriminierung
Im Gegensatz zu allen westlichen 'aufgeklärten Staaten' - besteht in Israel eine offene institutionelle Diskriminierung der Bevölkerung. Diese orientiert sich jedoch anders wie in Südafrika nicht an der Hautfarbe, sondern an der Konfession und räumt Juden massive Privilegien zu Lasten von Nichtjuden, den Palästinenser, unter Israels Herrschaft ein.
So räumt Israel weltweit allen Juden das 'Recht auf Rückkehr' ein, sowie das Recht in Israel umstandslos die israelische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Für Nichtjuden hingegen besteht kein solches Recht. Palästinenser, die vor 1948 in Israel geboren wurden, wird die Rückkehr nach Israel ganz grundsätzlich verwehrt.
Dies gilt umso mehr für die Palästinenser Ost-Jerusalems und der Westbank. Diese haben nicht nur eigene Papiere - um sie von den Israelis unterscheiden zu können -, sie unterliegen dazu auch einer eigenen Jurisdiktion: Während die in der Westbank lebenden illegalen jüdischen Siedler wie die Bewohner Israels dem israelischen Zivilrecht unterliegen, unterliegen die Palästinenser in der Westbank einem Rechtssystem, das auf einer Mischung aus osmanischem, jordanischem, englischem Besatzungsrecht sowie weitgehend willkürlich israelischen Militärverfügungen basiert.
II. Säule: Segregation
Israel betreibt seit jeher eine Politik räumlicher Segregation, sowohl in Israel, wie auch auf der Westbank
Am Anfang der Gründung Israels stand die Vertreibung von 700.000 Palästinensern aus ihren Dörfern und Städten im Jahr 1948 (nakba). Zwangsumgesiedelt wurden auch ein Großteil der Palästinenser, die nach 1948 im Staatsgebiet verblieben und dazu bis 1966 unter einer eigenen Jurisdiktion (Militärrecht) standen.
Ein weiteres wichtiges Instrument der Segregation besteht in 
der effektive Vertreibung von Palästinensern durch Landenteignung.
Ein Mittel, das die israelischen Institutionen sowohl in Israel 
wie auch in der Westbank einsetzen.
In Israel ist dazu an erster Stelle der JNF zu nennen, dem der israelische 
Staat das den Palästinensern geraubte Land treuhänderisch 
mit der Verpflichtung übergab, es nicht an Palästinenser
zu verpachten oder zu verkaufen.
Erwähnenswert ist auch das Mittel des Bau- und Planungsrechts, 
dass von Israel sowohl in Israel wie auch in der Westbank 
benutzt wird, um die Palästinser zu verdrängen oder einzuschliessen.
Ganz aktuell arbeiten die israelischen Behörden an Plänen 
(Prawer-Plan), um letztlich über einhunderttausend Beduinen im Negev umzusiedeln 
und sie zu konzentrieren.
In der Westbank ist die Segregation in Form der Mauer noch
weitaus offensichtlicher. Dazu hat Israel Juden in umzäunten 
Wehrkolonien angesiedelt (Siedlungen) und konzentriert die 
Palästinenser in von Zäunen, Mauern und Checkpoints begrenzten 
Kantonen, deren Lebensfähgkeit noch unter den von Südafrika 
errichteten Homelands liegt.
Segregiert sind auch die palästinensischen Bewohner Ost-Jerusalems,
die von jüdischen Siedlungen umgeben sind. Sie verfügen über 
eigene Identitätspapiere, die ihnen innerhalb ihrer Stadt 
nur einen geduldeten Status verleiht - der ihnen willkürlich entzogen 
werden kann und auch wird.
Noch unübersehbarer ist die Segregation der Palästinenser in Gaza, zu grossen Teilen Nachfahren der 1948 von Israel vertriebenen Palästinenser, die in einem 7 Kilometer breiten und 30 Kilometer langen Küstenstreifen gefangen gehalten werden, und gezwungen sind, sich durch ein System unterirdischer Tunnels nach Ägypten zu versorgen, die regelmässig bombardiert werden.
III. Säule: Gewaltsame Repression
Die israelische Diskriminierung und Segregation der Palästinenser liess und lässt sich natürlich nur mit massiver Gewalt gegen die Palästinenser durchsetzen.
An erster Stelle steht die meist völlig unterschätzte strukturelle Gewalt: das Pass-System, das der Freiheitsberaubung der Bewohner der Westbank dient, die diskriminierende Verwaltung, deren Handeln die Araber in Israel auf die unterste Stufe der sozialen Pyramide verbannt und zum Beispiel das Bau- und Planungsrecht, dass die Palästinenser - nicht nur in der Westbank sondern auch in Israel - dazu zwingt 'illegal' zu bauen, während jüdische Siedlungen wie Pilze aus dem Boden spriessen.
Die Repression reicht auch unmittelbar bis in die vorgeblich
demokratischen Institutionen Israels hinein: Das israelische 
Wahlgesetz lässt zwar arabische Parteien zu, zwingt sie aber 
die Diskriminierung zwischen Juden und Nichtjuden anzuerkennen - 
verkleidet in die Formel der Anerkennung des 'Jüdischen, demokratischen Staats Israels'.
Verstöße gegen dieses Verbot führen zum Verbot der jeweiligen 
Partei.
Neueren Datums sind dazu die Versuche, israelische regimekritische 
NGOs auf dem Wege finanzieller Austrocknung ausser Gefecht zu setzen.
Hinter der strukturellen Gewalt steht die Drohung mit und die Anwendung von physischer Gewalt gegen die Palästinenser, realisiert durch israelische Gefängnisse, Soldaten und Drohnen.
Die Gewalt gegen die Bewohner der Westbank und der Gazas kennt praktisch keine Grenzen. In der Westbank sind willkürliche Verhaftungen (zunehmend auch von Minderjährigen und Kindern), Haftstrafen nach Prozessen auf Basis geheimer Beweise oder auch Haftstrafen auch ohne irgendeinen Prozess die Norm. Schwere Misshandlungen von Verhafteten sind die Regel und es gibt auch immer wieder Berichte über Folterungen durch israelische Sicherheitskräfte.
In der Westbank besteht weder Pressefreiheit (die Militärzensur greift im Übrigen auch in Israel) und keine Versammlungs- oder Demonstrationsfreiheit. Unbewaffnete Demonstranten, die gegen die Vertreibung und Enteignungen protestieren, werden immer wieder mir scharfer Munition angeschossen und es gibt regelmässig Tote. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die im Verdacht stehen den Widerstand gegen die Diskriminierung und Segregation der Palästinenser zu fördern werden regelmässig verboten und ihre Mitglieder in Gefängnisse gesteckt.
An der Spitze der Repression steht eine israelische Lynchpraxis,
die vermutete Mitglieder des Widerstands ohne Beweisaufnahme 
oder Prozess hingerichtet. Während die Opfer in der Westbank
zumeist niedergeschossen werden, erfolgen die Hinrichtungen in 
Gaza zumeist aus der Luft - durch Drohnen-Attacken - gelegentlich 
aber auch durch bodengestützte Artillerie oder Raketen.
Nahe der Grenze werden offenbar auch Zivilisten und Kinder 
hingerichtet, abhängig von den Launen der Besatzungen in 
den israelischen Panzern.
Die Gewalttätigkeit der Repression betreffend, schlägt Israel das südafrikanische Regime um Längen.
FAZIT: Boykott, nachdem die 'internationale Gemeinschaft' versagt hat
Der 'Jüdische Staat' weist nahezu alle von der Antiapartheidkonvention
beschriebenen Attribute eines Apartheidsregimes auf.
Es gibt eine institutionelle Privilegierung von Juden zu 
Lasten der Palästinenser, eine Politik der Segregation und 
ethnischer Vertreibung und einen terroristischen 
Repressionsapparat, der auch vor Morden an Unschuldigen 
nicht zurückschreckt.
Damit steht ausser Zweifel, dass Israel ein Apartheidsstaat ist, der von der Internationalen Gemeinschaft geächtet werden muss.
Jedwede Unterstützung Israels durch Europa oder durch Deutschland muss sofort gestoppt werden. Die Verantwortlichen in Israel müssen mit internationalem Haftbefehlen gesucht und vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht werden.
Solange dies aus machtpolitischen Gründen nicht geschieht, ist die deutsche Zivilgesellschaft, sind die Kirchen, die Gewerkschaften, die Parteien etc. aufgerufen, das Ende der Unterstützung der israelischen Apartheid einzufordern.
Dazu gehört auch wie ehemals im Fall Südafrika, der Boykott ALLER israelischen Waren und Dienstleistungen, sowie der Protest gegen alle Beziehungen auf politischer, kultureller oder Bildungsebene, insofern sich die jeweiligen Vertreter Israels weigern, sich der Forderung nach dem Ende der Apartheid in Israel anzuschliessen.
(ts)
Ergänzende Links:
Occupation, Colonialism, Apartheid? (Studie des HSRC, Südafrika)