Institut für Palästinakunde
- IPK -

Start / Politik (Archiv 2011) / 2011060900

LINKS blinken rechts abbiegen
'Entschieden gegen Antisemitismus' - ein grandioser Etikettenschwindel [09.06.2011]

LINKS blinken, rechts abbiegen: 'Entschieden gegen Antisemitismus'

Die Vorgeschichte

Zu reden ist von einer Kampagne der Israel-Lobby gegen die Partei DIE LINKE, deren Eigentümlichkeit von Anfang an darin bestand, dass sie von führenden Mitgliedern der Partei mit munitioniert und betrieben wurde und wird.

Auslöser der Kampagne waren eine gegen Produkte aus Israel gerichtete Boykott-Aktion in Bremen von der sich die lokale LINKS-Partei nicht sofort pflichtschuldigst distanzierte, obgleich sie von der Israel-Lobby natürlich als Fortsetzung des Judenboykotts der 30'er Jahre denunziert wurde - sowie ein antisemitisches Pamphlet, das sich auf den Webseiten der LINKEN in Duisburg fand und natürlich sofort gelöscht wurde. Diese beiden Ereignisse wurden von der in den Medien und der Politik bestens vernetzten Israel-Lobby genutzt, um einen wahren Gülle-Sturm gegen die LINKE in Gang zu setzen.

Immer mit dabei prominente Akteure der LINKEN, deren Expertise in Sachen Palästina vorwiegend darin besteht, die von der israelischen Botschaft gelieferten Textbausteine von den eigenen Referenten wiederaufbereiten und als eigene Schöpfungen verbreiten zu lassen. Die Frankfurter Rundschau war so freundlich einige der Akteure namentlich zu nennen: Stefan Liebich, Bodo Ramelow und Petra Pau.
Weitere bekannte Freunde der Israel-Lobby in der LINKEN findet man unter dem folgenden Aufruf, dessen menschenfreundliche Verfasser sich nicht etwa um die zu Millionen vom 'Staat der Holocaust-Überlebenden' in 'Geiselhaft' gehaltenen Palästinenser sorgen, sondern um dessen 'Volkswirtschaft'.

Als besonders nützlich für den Angriff auf die LINKE erwies sich eine vorgeblich wissenschaftliche Studie zum Antisemitismus in der LINKS-Partei, verfasst von zwei Antisemitismus-Experten. Vertreter jener nicht selten halbseidenen Wissenschafts-Disziplin, die es vermag den Antisemitismus in mehr oder weniger jedem gesellschaftlichen Phänomen 'wissenschaftlich' nachzuweisen und deren ökonomische Grundlage darin besteht die Gegner ihrer jeweiligen Auftraggeber ebenso 'wissenschaftlich' als Antisemiten zu diffamieren. Die Israel-Lobby ist verständlicherweise ein bedeutender Kunde dieses PR-Gewerbes.

Eben diese 'Studie' nahm der Deutsche Bundestag zum Anlass für eine Aktuelle Stunde: Wie zu erwarten nutzen alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien dieselbe, um sich lustvoll als Beschützer des Judenstaates aufzuplustern und einen Hagel aus gehässigen, ignoranten und heuchlerischen Lügen auf die LINKS-Fraktion niedergehen zu lassen.

Das ist die Vorgeschichte, die den Vorstand der LINKS-Fraktion des deutschen Bundestages scheinbar dazu veranlasste, die Fraktion und deren Mitarbeiter dazu zu zwingen eine Erklärung durchzuwinken – Titel: Entschieden gegen Antisemitismus – die eine totale Kapitulation vor der Israel-Lobby bedeutet.

Die Zustimmung konnte der Vorstand nach mehrstündiger Diskussion nur mithilfe von Drohungen – der Drohung mit Spaltung oder/und dem Rückzug des Fraktionsvorsitzenden - durchsetzen. Es vermochte es sogar, die gewünschte Einstimmigkeit zu erreichen, da es die Opposition in der Fraktion vorzog, sich der Überrumpelung seitens des Vorstands durch 'Flucht' zu entziehen.
So wiederholte sich die nakba in den Fraktionsräumen der LINKEN in Berlin, mit freundlicher Unterstützung der Israel-Lobby.

Was bedeutet die Erklärung 'Entschieden gegen Antisemitismus'?

Nachdem sich die Verfasser der Erklärung am Anfang noch einmal klar gegen den Antisemitismus und Rechtsextremismus wenden – Selbstverständlichkeiten für jeden Linken - folgt der entscheidende Satz:

Wir werden uns weder an Initiativen zum Nahost-Konflikt, die eine Ein-Staaten-Lösung für Palästina und Israel fordern, noch an Boykottaufrufen gegen israelische Produkte noch an der diesjährigen Fahrt einer "Gaza-Flottille" beteiligen.

In den Kontext der Erklärung eingerückt bedeutet dieser Satz, dass der Vorstand der LINKS-Fraktion einen jeden als Antisemiten und Rechtsextremisten verdammt sehen will

Zu den Antisemiten gehört nach der Meinung des Fraktionsvorstands also die jüdische Linke, die den Boykott Israels auch deswegen fordert weil sie die Machtergreifung rechtsnationaler Klerikalfaschisten befürchtet. Antisemiten sind all jene, welche die Zweistaatenlösung für gescheitert halten: eine Einschätzung die weltweit von einem großen Teil (nicht nur) der Linken geteilt wird. Und Antisemiten kontrollierten demnach auch den Bundestag, der am 2. Juli 2010 die Aufhebung der Gaza-Blockade forderte – damals noch mit den Stimmen der LINKS-Fraktion.

Gleichzeitig bekennt sich der Vorstand der LINKS-Fraktion mit der Erklärung zu dem Apartheidscharakter Israels: räumt den jüdischen Bewohnern Israels das Recht ein, die Nichtjuden unter ihrer Kontrolle aller Rechte zu berauben, insofern das erforderlich ist, um den 'jüdischen Charakter' Israels aufrecht zu erhalten. Denn genau das verbirgt sich hinter dem impliziten Bekenntnis zur Zweisstaatenlösung und dem dazugehörigen Friedensprozess, dessen einziges sichtbares Resultat in der Ausbreitung der Siedler und der Konzentration der Palästinenser in stetig schrumpfenden Territorien besteht. Dazu passt schliesslich auch die Forderung sich nicht an Aktionen - wie der Gaza-Flottilla - zur Befreiung Gazas zu beteiligen, einem Gebiet in dem allein 1.5 Millionen Palästinenser leben – was immerhin einem Viertel des jüdischen Bevölkerungsanteils Israels entspricht.

Fazit

Die Erklärung Entschieden gegen Antisemitismus ist ein grandioser Etikettenschwindel des Vorstands der LINKS-Fraktion, die darauf abzielt eine fundamentale Position der Linken – den Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus - auszuhöhlen und inhaltlich durch die Interessen des letzten Apartheidstaats des 21. Jahrhunderts zu ersetzen.
Der Vorstand beteiligt sich so an der Politik der Israel-Lobby, die Einhaltung fundamentaler Rechte – neben dem Völkerrecht die weitaus wichtigeren Menschen- und Bürgerrechte – in Israel unter das Primat des Jüdischseins zu stellen – und sie in letzter Konsequenz als antisemitisch zu denunzieren.

Mit dieser Erklärung positioniert sich der Vorstand der LINKEN nicht nur außerhalb des linken Wertekonsenses, sondern auch außerhalb des universalistischen - liberalen und demokratischen - Wertekonsenses, der gemeinhin als Ergebnis der Aufklärung gilt.

Dem Vorstand der LINKS-Fraktion ist es so tatsächlich gelungen, die Regierungsfähigkeit der LINKEN zu demonstrieren: Einer Koalition der LINKEN mit Netanjahus 'Likud' oder Liebermans 'Israel Beiteinu'-Partei steht nun kein Hindernis mehr im Wege. Damit ist natürlich auch die Tauglichkeit der LINKEN für eine Beteiligung an der Regierung des Afghanistan besetzt haltenden Deutschlands bewiesen, dessen Verteidigungsminister längst ganz unverhüllt daran arbeitet Gundgesetz und Völkerrecht der 'nationalen Sicherheit' und dem nationalem Selbstbehauptungswillen Deutschlands unterzuordnen.

 (ts)

Eine Übersicht über unsere aktuellen Politik-Nachrichten finden Sie hier.

Eine Übersicht weiterer Politik-Nachrichten in unserem Archiv finden Sie hier.

© IPK