Institut für Palästinakunde
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Aktion 3. Welt Saar: 'Unzurechnungsfähigkeit aus Größenwahn' [26.01.2014]

Aktion 3. Welt Saar: 'Unzurechnungsfähigkeit aus Größenwahn' Die TAZ hat ihrer Ausgabe vom 20. Dezember 2013 eine Flugschrift über das Hilfsbusiness der NGOs in Palästina[1] beigelegt.

„Aktion 3. Welt Saar schreibt hierin u.a. über Amnesty International‘s Wasserbericht[2] aus dem Jahre 2009:

„Dort heißt es: „Der tägliche Frischwasserkonsum der in den besetzten Gebieten lebenden Palästinenser liegt bei rund 70 Litern pro Kopf – und damit deutlich unter der Menge von 100 Litern, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen wird.“

Demgegenüber verbrauche ein Israeli täglich im Schnitt über 300 Liter Wasser, also mehr als das Vierfache. ... Offen bleibt dabei, woher Amnesty überhaupt die Verbrauchszahlen hat – eine Quelle für sie wird im Bericht nämlich nicht genannt.„

Amnesty International’s Bericht liegt im Original auf Englisch und in deutscher Übersetzung vor.

Fehlende Quellenangaben

Das inkriminierte Zitat, im Original: „Palestinian consumption in the OPT is about 70 litres a day per person – well below the 100 litres per capita daily recommended by the World Health Organization (WHO)“ stammt aus der ersten Textseite des Berichts, also der zusammenfassenden Einleitung („Introduction“ auf S.3 – Seitenzahlen des Berichts), bei der nach akademischen Gepflogenheiten, nicht zitiert wird – dazu ist ja der eigentliche Bericht da. Wer den Bericht nicht zuende liest, muss natürlich zu dem Schluss kommen, Amnesty stütze sich nicht auf nachprüfbare Quellen. Auf die Zahl von 70 Litern täglich kommt Amnesty mehrfach zurück, z.B. auf S.10 des Berichts. Und hier fänden sich auch Quellenangaben, auf die die leseuntüchtigen Saarländer Freunde hätten stossen müssen: Die Endnoten auf S. 10 ff. (Endnotes #23, #25 und #27) des AI-Berichts verweisen auf den Weltbank-Bericht aus dem Jahr 2009: „Assessment of Restrictions on Palestinian Water Sector Development“[3].

Der Weltbank-Bericht (World Bank, 2009) schreibt auf S. 119 zu Gaza: „PWA or municipalities provide about 70 l/c/d, but cannot reach all households.“ (PWA & Stadtverwaltungen liefern etwa 70 Liter pro Kopf und Tag, können aber nicht alle Haushalte erreichen). Zur Westbank steht dort gleich zu Beginn, auf Seite v: „Domestic water availability averages 50 lpcd.“ (Hauswasser-Verfügbarkeit liegt im Durchschnitt bei 50 Litern pro Kopf und Tag). Es kommt jedoch immer darauf an wie man zählt, ob man z.B. die unversorgte Bevölkerung (Gemeinden ohne Leitungsnetze) einbezieht, oder nicht. Dadurch kommen jeweils unterschiedliche Zahlen zustande - ganz abgesehen davon, dass die Zahl jährlich schwankt …
Solange Israel die besetzten Gebiete in striktem de-development[4] hält und etliche Gemeinden nicht einmal über ein Leitungsnetz verfügen, wird sich an diesem Problem im Berichtswesen auch nichts ändern. Die Amnesty-Angabe stammt zudem aus einem ganzen Absatz, der diese Zahl herleitet – und zwar wird hier die palästinensische Versorgung inklusive der Wasserzukäufe aus Israel berücksichtigt. Dies sind seriöse Zahlen, die international niemand in Zweifel zieht – ausser ein paar Siedlern, die für die israelische Wasserbehörde schreiben und natürlich die Wasserexperten von der Saar …

Das oben genannte Zitat geht aber noch weiter, nur wird es von den Saarfreunden nicht zitiert sondern verfälscht; im Original: „whereas Israeli daily per capita consumption, at about 300 litres, is about four times as much“ (AI 2009: 3). Also nicht “über” (wie es an der Saar lautet) sondern “ungefähr” 300 Liter. Warum „ungefähr“? Weil eben auch diese Zahl schwankt, und AI darauf bedacht war, präzise und seriös zu bleiben. Dies sind übrigens offizielle Zahlen der israelischen Wasserbehörde (IWA), genauestens dokumentiert und sie stehen im Netz, natürlich meist auf Hebräisch. Eine neuere unter den vielen Quellen auf Englisch wäre Israel’s 2012 ‚Overall Review‘[5], derzufolge der Wasserverbrauch pro Kopf an Trinkwasser in Israel im Zeitraum bis 2008 zwischen jährlich 102 und 111 Kubikmeter pro Kopf (m3/c/yr) lag, also zwischen 280 und 305 Litern pro Kopf täglich (IWA, 2012: Folie 16).

Water-Consumption NB: zum Zeitpunkt des Amnesty Berichts lagen nur Zahlen bis 2007 vor. Inzwischen hat sich die Lage unter der Besatzung natürlich stetig verschärft. Die für 2010 und 2011 erwarteten Beträge des Wassersparens in Israel sind nicht eingetreten.

Nun muss man den Saar-Aktionären zugute halten, dass sie die Zahl der unverschämt hohen Israelischen Trinkwasserverschwendung gar nicht in Frage stellen. Sie sind sich also dessen bewusst, dass Israelis im Schnitt mehr als zweieinhalb mal soviel Trinkwasser verschwenden als Deutsche (und 5-mal soviel wie den Palästinensern in der West Bank zur Verfügung steht). Trotzdem werden sie es sich nicht nehmen lassen, Israel als das eigentliche Opfer darzustellen – aber dazu später …

Die Wasserexperten der Aktion 3.Welt Saar schreiben weiter: Der Grund für diese Differenz liege in der „diskriminierenden israelischen Politik“, für sie natürlich ein ungeheurer Beleg für die “verbreitete(n) antisemitische(n) Positionen in der Mitte der deutschen Gesellschaft“, oder hier der englischen Gesellschaft Amnesty’s aus London. Dies nimmt auch kaum Wunder, taucht doch in dem gesamten Pamphlet das Wort „besetzt“ nur zweimal auf – einmal, unvermeidlich, in jenem Amnesty Zitat oben, und ein anderes mal von den Autorinnen der Truppe selbst als pures Gerücht verleumdet: „Nicht wenige NGOs zeichnen von den palästinensischen Gebieten, insbesondere vom Gazastreifen, jedoch ein gänzlich anderes Bild – nämlich das eines besetzten und belagerten Landstrichs“. Wenn schon die Besatzung als reines Gerücht entlarvt wird, dann ist, in der Aktionslogik von der Saar, die Behauptung einer „Diskriminierung“ durch Israel doch wohl erst recht ungeheuerliche antisemitische Hetze... Auch die Mär von der „Besatzung“ widerlegen die Saarfreunde schlagkräftig durch den Hinweis, dass ja Mexiko-Stadt angeblich dichter besiedelt sei als der Gaza Streifen. Na also...[6]

Weiter, dass „der Zugang der PalästinenserInnen zu den Wasserressourcen, ... massiv eingeschränkt und behindert (werde)“ ist für die Saar-Aktion ebenfalls nur eine Behauptung Amnesty’s - und die Erde ist eine Scheibe. Dass Oslo-II diese Einschränkung offiziell dokumentiert, ist den Saar-Experten entgangen, von der gesamten, weltweit bestehenden einschlägigen Literatur zu diesem Thema ganz zu schweigen.

Die richtigen Zahlen zur Wasserversorgung

Statt der falschen Zahlen Amnesty’s bietet die Saar Aktion nun bessere, richtigere an:
„Andere Statistiken kommen zu wesentlich weniger alarmierenden Ergebnissen, beispielsweise eine Erhebung des in Ramallah ansässigen Palestinian Central Bureau of Statistics. Demnach verbrauchte im Jahr 2007 jeder Bewohner in den palästinensischen Gebieten durchschnittlich rund 136 Liter Wasser pro Tag – also fast doppelt so viel wie von Amnesty angegeben.“

Die Schlaumeier und Schlaumeierinnen haben natürlich diese „Statistiken“ des PCBS nicht gelesen, geschweige denn verstanden: Bei PCBS findet sich keine solche dumme Behauptung, ganz einfach! Statt dessen bezieht sich die Zahl von „rund 136 Liter pro Tag“ auf das Gesamtwasser, also industrielles Brauchwasser, landwirtschaftliches Bewässerungswasser und Hauswasser (Trink- und Brauchwasser). Ach so!? Na, egal, denn: „Gar 287 Liter pro Kopf und Tag hat die staatliche israelische Wasserbehörde errechnet.“ Wann? Wo? Wie? Von einer Literaturangabe – ganz im Gegensatz zu Amnesty – keine Spur, im gesamten Text versteht sich!

Wir wissen allerdings, worauf sich der clevere Nachwuchs an der Saar bezieht – diese Zahl wurde landauf, landab, im Gefolge des Amnesty-Berichts verbreitet und leider auch kritiklos von Teilen der internationalen Presse wiederholt. Wen interessieren Fakten, wenn’s doch in der Zeitung steht?
„Amnesty said water consumption in Israel was 300 litres a day per person and 70 litres a day in the West Bank and Gaza Strip.
Israel's water authority said those numbers were misleading because they took into account internal distribution and did not compare total water consumption. It said the total figures were 408 litres per day for Israelis and 287 litres for Palestinians.”[7]

Verlässliche Quellen, Kronzeugen der Aktion 3. Welt Saar

Die Quelle dieses Gerüchts wiederum ist das bekannte „Water Issues“-Papier Israels, das als eine Entgegnung zum Weltbank-Bericht gemeint war[8]. Allerdings war diese Replik eben nicht von der „staatliche(n) israelische(n) Wasserbehörde“ verfasst und damit hat auch nicht diese etwas „errechnet“ - sondern, die IWA hatte sich sogar halbscharig von diesem Pamphlet distanziert, indem es betonte, es sei ein „policy paper, prepared ... by a group of independent experts. The paper reflects the experts' opinions“, weshalb auch die Weltbank dieses nicht als offizielle Antwort der IWA akzeptieren konnte.

In diesem IWA „official Non-Paper“ (!) wird nun auf S. 17 behauptet:
„The significance, in per capita terms, for 2007 is:
153 m3/yr per capita in Israel (1,110/7.2).
105 m3/yr per capita for the Palestinians in the West Bank (200/1.91)“

Zu so einer Behauptung gehört schon ziemlich viel Chuzpeh, an der es dem Autor des Non-Papers allerdings nicht mangelt. Die Zahlen in der Klammer verweisen auf die Gesamtkonsumptionsmenge (200 Millionen Kubikmeter) und Bevölkerung (1.9 Millionen). 1.9 Millionen? Nun, der Autor hat einfach die bestehenden Bevölkerungszahlen nach unten „korrigiert“, von 2.2 Millionen (angeblich, laut PCBS im Jahr 2006 – natürlich ohne Quellenangabe, wie auch dieser gesamte Non-Paper Text) auf 1.4 Millionen (S. 16), um sie dann wiederum auf 1.8 Millionen einzupendeln (S. 15) und schließlich als 1.9 Millionen im oben genannten Zitat auszugeben (S. 17). Der Unterschied zwischen 2.2 Millionen und 1.4 Millionen, entspricht einem ‚Fehler‘,von satten 39%, oder auf Deutschland bezogen, statt 80 Millionen, nur 59 Millionen Einwohner! Mit so erbärmlichen und dreisten Methoden arbeitet das Pamphlet, welches, wie schon gesagt, nicht die Israelische Wasserbehörde verfasst hat, sondern in ihrem Auftrag, Prof. Dr. Haim Gvirtzman – seines Zeichens stolzer Siedler aus dem illegalen Hardcore-Settlement Dolev - gleich neben Ramallah. Dies sind also die Kronzeugen für die Richtigstellungen der Israelfreunde an der Saar.

Es ist durchaus angebracht, dies zu betonen: Die Saar-Aktion bezieht sich also ausdrücklich auf die rechts-außen angesiedelten Hardcore-Siedler, um ihre Kampagne zu unterfüttern. Und wie traurig muss es um eine Legitimierung des Wasserraubs bestellt sein, wenn man sich nicht mehr anders zu helfen weiß, als plump die Bevölkerungszahlen zu manipulieren, um zum gewünschten pro-Kopf Ergebnis zu gelangen...
Die Saartruppe befindet sich allerdings in ‚guter‘ Gesellschaft: Dieses Gvirtzman’sche IWA Non-Paper wurde dann zur Grundlage für fast alle weiteren israelischen Rechfertigungsversuche, wie z.B. dem höchst engagierten und ebenso amüsanten, überaus vulgären Beitrag des sich selbst als israelischen „Rechtsaußen“ vorstellenden Martin Sherman zum Amnestybericht: „A Torrent of lies“[9].

Hingelangt

„Die Tätigkeit zahlreicher NGOs in den palästinensischen Gebieten hat mit humanitärer Hilfe nichts zu tun, sondern besteht in einer antisemitisch motivierten Dämonisierung und Delegitimierung Israels. Die vermeintliche oder tatsächliche Not der Palästinenser dient dabei nur als Vorwand, als Rechtfertigung.“
(Änneke Winckel in der Flugschrift, Seite 4.)

Entlarvend, dass der Unterschied zwischen nur eingebildeter, „vermeintlicher“ und real erlittener „tatsächliche(r) Not der Palästinenser“ der Saarländerin völlig einerlei ist. Die Gretchenfrage, ob nun die Palästinenser wirklich unter Wassernot leiden oder nur ein politisch interessiertes Gerücht ist, braucht sie nicht zu beantworten; sie geht ihr am Allerwertesten vorbei. Es ist in der Tat exakt diese verächtliche Attitüde, die die reale Wasserkrise und das Leiden der Palästinenser unter dem politisch erzeugten Wassermangel zu einer reinen Projektionsfläche für saarländische Diskursspielchen im deutschen Betroffenheitssumpf verkommen lässt.
Ihr Argument ‚dient dabei nur als Vorwand, als Rechfertigung‘ für die Unterlassung, ‚Dämonisierung und Delegitimierung‘ jeglicher, materieller wie politischer Solidarität.

Frau Winkel desavouiert damit nicht nur den solidarischen Selbst-Anspruch ihrer Gruppe auf „uneigennützige Hilfe (zum) Wohl notleidender Menschen“, sondern sogar die so hoch gelobte und angeblich alternativlose, rein karitative Nothilfe.

Die Argumentationsmuster fast aller anti-palästinensischen Vorurteile und Entstellungen im Wasserbereich sind in diesen beiden Texten versammelt. Obiges Beispiel des Jonglierens mit der Bevölkerungszahl ist nur eines von rund einem runden Dutzend von Manipulationen in diesem Papier. So wird z.B. die Menge angeblich bestehender Brunnenförderung einfach aus den maximalen Quota in israelischen Militärgenehmigungen herangezogen, anstatt die real gemessene Brunnenförderung zugrunde zu legen, wie es Amnesty tat. Brunnen, die brach liegen, weil ihnen von Israel die Erlaubnis zur Reparatur (sic!) verweigert, sind hier genauso Bestandteil, wie die nominale Pumperlaubnis für jene Brunnen, für die auf dem Papier eine Bohrgenehmigung bestand, die aber nie gebohrt werden konnten – aufgrund genau jener Beschränkungen, um die sich die Welt Bank und Amnesty Berichte drehen, die aber für die Experten von der Saar nur „antisemitische Dämonisierungen“ sind. So schließen sich die Kreise.

Saarländische Suppenküche - I

Aus dem „Spendenaufruf“ der Aktion 3. Welt Saar: „Die Faszination, ... mit Projekten das eigene Weltbild umzusetzen, ist weit verbreitet. Logischerweise (ist dabei) auch das im entwicklungspolitischen Gepäck ist, was die deutsche Gesellschaft ebenfalls zu bieten hat – zum Beispiel koloniales Denken.“

Was folgt daraus? „Wir leugnen nicht, dass es auch gute Hilfsprojekte gibt ... Katastrophenhilfe ist sinnvoll.“

Aber entwicklungspolitisch will die Aktion 3. Welt Saar nicht in der 3. Welt, sondern nur an der Saar aktiv werden – und keinesfalls in Palästina. Sie sind auch durchaus nicht gegen Almosen, im Gegenteil! Ihr entwicklungspolitischer Vorschlag für Deutschland, im Guten (sie können auch anders) lautet: „- beispielsweise Suppenküchen für Arme zu betreiben“!

Wir dürfen wohl davon ausgehen, dass die Herrschaften des Aktionskreises diese Küchen nicht zu frequentieren hätten. Und damit das so bleibt, nicht vergessen! „Apropos steter Fluss von Spendengelder: Wenn Sie unsere Ansicht teilen, dass das Hilfsbusiness ... im Konkreten in den palästinensischen Gebieten zu kritisieren ist, dann bitten wir um Ihre Spende, damit wir uns „entwickeln“ können.“

Mahlzeit!

Die gesamten Behauptungen der Saargemeinde lösen sich also in lauwarme und zudem ziemlich übelriechende Luft auf. Nicht nur sind alle Zahlen an den Haaren herbeigezogen oder brachial hingebogen, sie beziehen sich auch auf völlig andere Dinge! Wie sowohl aus dem Gvirtzman-Zitat, als auch den angeblichen IWA Statistiken klar hervorgeht, ist bei den (falsch ‚berechneten‘) 287 Litern eben vom Gesamtwasser-Bruttodargebot, für Trinkwasser, Industrie und Landwirtschaft die Rede, nicht vom reinen Trinkwasserdargebot, geschweige denn dem Netto-Verbrauch! Hier muss man selbst den Hardcore-Siedler Gvirtzman gegen seine Saarfreunde in Schutz nehmen! Seine erlogenen Zahlen beziehen sich immerhin noch auf das angebliche Gesamtdargebot. Die Saarvantgarde ist da schon ein paar Schritte weiter.
Die anti-deutschen und antipalästinensischen Israelfans von der Saar sind ebendies: Fanatiker. Sie verstehen nicht nur nichts von Wasser und nichts von Palästina, sondern haben überdies auch keine blasse Ahnung von Israel. Keine besonders guten Ausgangsbedingungen für dieses traurige Manifestlein.

Alle weiteren Zahlen, die dort folgen, stammen dann folgerichtig aus ein- und derselben, nachhaltig sprudelnden Quelle, wieder Bevölkerungsexperte Gvirtzman (2009)[10]. Die Aktion 3. Welt Saar schreibt:

„Und tatsächlich ist deren {der palästinensische} Wasserverbrauch erheblich gestiegen, einerseits durch infrastrukturelle Maßnahmen, andererseits infolge israelischer Wasserlieferungen, deren Menge stets deutlich über der vereinbarten lag, im Jahr 2009 sogar um 40 Prozent. Zwar verbrauchen die Israelis pro Kopf immer noch mehr Wasser als die Palästinenser, die Differenz hat sich im Laufe der Zeit jedoch stark verringert. Besonders deutlich wird das, wenn man den Vergleichszeitraum ausdehnt: Den Angaben der israelischen Wasserbehörde zufolge beanspruchte 1967 jeder Israeli 508 Kubikmeter Wasser im Jahr, während es bei den Palästinensern im Westjordanland nur "86 Kubikmeter pro Kopf waren.“ (treu übernommen aus Gvirtzman, 2009: S. 15, 16)

„2007 lag der Jahresverbrauch auf israelischer Seite bei nur noch 153 Kubikmetern, während er in der Westbank auf 105 Kubikmeter gewachsen war. Zum Vergleich: Im selben Jahr verbrauchte ein Jordanier 172, ein Ägypter 732, ein Syrer 861 und ein Libanese sogar 949 Kubikmeter Frischwasser.“ (ebenso, Gvirtzman 2009: S.18, 19)

Illegale Massnahmen

Es ist auch der illegale Siedler Gvirtzman, der gesteigerten Wert auf die treuliche Einhaltung der Gesetze legt und eifrig die Mär angeblich „illegaler“ Brunnen in der West Bank nährt. Hiermit meint er natürlich nicht die Brunnen für illegale Siedlungen sondern die illegale Grund-Wasserversorgung der autochthonen Bevölkerung unter Militärbesatzung. Dienstfertig reproduziert Aktion 3w von der Saar seinen Mythos von dieser bestürzend antisemitischen Praxis der Palästinenser:
„Nach einem Bericht der israelischen Wasserbehörde vom März 2009 betreffen diese Verstöße zum einen das Bohren von Brunnen, die nicht genehmigt wurden. Darüber hinaus werden immer wieder Wasserpipelines angezapft. Dadurch gerät das gesamte Wassersystem durcheinander.“

Gleichwohl bleibt dies eine reine Mär. Die saarländischen Entwicklungs- und Bohrexperten beweisen bescheidene Sachkenntnis der ziemlich streng, rigoros und aufmerksam besetzten und vom IDF kontrollierten Gebiete. In der West Bank unbemerkt einen Tiefbrunnen in den Bergaquifer bohren zu wollen, ist etwa so erfolgversprechend, wie eine unbemerkte Tiefbohrung vor dem Berliner Reichstag. Natürlich gibt es hunderte (und je nach israelischer Regierung schwankende Zahl) angeblicher „illegaler“ palästinensischer Wasseranlagen, die Israel auch in den letzten Jahren mit zunehmendem Furor zerstört – wie z.B. Jahrhunderte alte Regensammelzisternen, denn selbst der Regen gehört Israel – aber eben keinen einzigen Brunnen in auch nur einem der in Oslo genannten Bergaquifere. Gvirtzman’s sogenannte „Pirate boreholes“ -הקידוחים הפיראטיים[11] - (Piratenbohröcher – ebenfalls ein origineller neuer Fachbegriff) sind allesamt kleine Flachbrunnen, die in die flachgründigen lokalen Eozän- und Lockergesteinsaquifere abgeteuft wurden; diese haben mit den grenzüberscheitenden Grundwasserbecken und damit den in Oslo-II aufgeführten Reserven rein gar nichts zu tun.

Lage der angeblich „illegalen Brunnen“ – allesamt nicht in den Bergaquiferen (nach Oslo-II)

Lage der angeblich 'illegalen Brunnen'

Modifiziert nach AIC (2013)[12]: “Response to the COGAT Factsheet: Water in the West Bank”[13]

Dass dadurch das „gesamte Wassersystem auseinandergerät“, wie der neue Terminus Technicus von der Saar lautet, ist also schon rein technisch gar nicht möglich- und wird auch von Gvirtzman selbst nicht behauptet. Das ist eine wissenschaftliche Weiterentwicklung der Saarhydrologen. Frisch behauptet, halb bewiesen!
Auch das Rätsel, wie das angebliche Bohren angeblich nicht genehmigter Brunnen zu angeblich „enormen Wasserverlusten“[14] führen soll, müsste uns der saarländische Voraustrupp in Wassertechnologie erstmal erklären...

Fehlende Abwasserbehandlung

Weiter im Text:
„Zum anderen ist die Abwasserbehandlung in den palästinensischen Gebieten noch immer unzureichend.
Denn das verbrauchte Wasser wird zu zwei Dritteln ohne weitere Behandlung in die Bäche und Flüsse geleitet, sickert ins Grundwasser ein, aber Amnesty geht über all dies hinweg, und wirft Israel noch vor, über 80 Prozent der einzigen palästinensischen Wasserbezugsquelle im Westjordanland für sich zu beanspruchen.“

In der Tat – Kläranlagen sind in der West Bank wirklich rar! Woher mag das nur kommen? Mag es vielleicht ursächlich damit zusammenhängen, dass Israel systematisch seine Pflichten als Besatzer vernachlässigt hat und in dem bald halben Jahrhundert die West Bank unter seiner Knute nicht mit einer einzigen modernen Kläranlage (tertiäre Klärstufe) ausgestattet hat? Ausgeschlossen! Antisemitismus!

Und mehr noch, könnte es sein, dass seit Oslo bis heute, Israel den Bau JEGLICHER modernen Kläranlage durch seine Militärbehörden, zuvorderst der sog. Civil Administration unterbunden und verhindert hat? Infame Lüge. Pure NGO-Propaganda!
Es gibt nur eine einzige funktionierende moderne Kläranlage in der West Bank. Sie steht in El-Bireh und wurde 1999 von Bundespräsident Rau eingeweiht – aber dieses Projekt stammt noch aus den Tagen vor Oslo-II! Es ist in der Tat unglaublich – alle 17 weiteren geplanten und von der PA beantragten Kläranlagenprojekte blieben irgendwo auf halbem Wege im Dickicht der Militäradministration stecken, wurden abgebrochen oder siechen mehr schlecht als recht vor sich hin. Immerhin wird jetzt, 2013 (!) in Nablus gebaut. Sollte diese Anlage fertig werden, dann wird sie die erste seit Oslo und die zweite überhaupt sein!

„Aber Amnesty geht über all dies hinweg“. Es ist schon einigermaßen beeindruckend, wie dreist die Saarländerinnen hier „über all dies hinweggehen“, was eben im Amnesty Bericht zu lesen wäre, wenn man ihn denn aufschlüge. Der Amnesty Bericht legte ein besonderes Gewicht auf diesen Aspekt. Immer wieder kommt Amnesty auf das Abwasserproblem zu sprechen. Besonders prominent ist die Fallstudie zum skandalösen Abwasserprojekt in Salfit. Auf drei Seiten geht Amnesty hier auf die Machenschaften der Besatzung und die mehr als peinliche Kapitulation der deutschen Geber vor den Obstruktionen durch Siedler und Militärs ein. Wohlgemerkt, nicht die vom Saarufer gescholtenen antisemitischen NGOs waren‘s, sondern die treuesten regierungsamtlichen Partner Israels in Berlin, die offizielle Entwicklungspolitik, die deutschen Flaggschiffe GTZ und KfW. Das Einknicken dieser Projekte lohnte sich wirklich zu studieren (S. 33-35 im Amnesty Bericht); es zeigt nämlich eindringlich, welche Reflexe und Voreingenommenheiten hier wirklich am Werk sind – ganz sicher nicht israelfeindliche, wie an der Saar dahergefiebert wird...

Ansprüche auf, Kontrolle über und Zugang zu Wasser

„und wirft Israel noch vor, über 80 Prozent der einzigen palästinensischen Wasserbezugsquelle im Westjordanland für sich zu beanspruchen.“
Tatsächlich, wenn Amnesty Israel dies vorwürfe, läge es gefährlich falsch. Denn Israel beansprucht nicht 80% der „Wasserbezugsquelle“ (was immer darunter im Saarland verstanden werden mag[15]) sondern exakt 100%. Die Entwicklungspioniere aus dem Saargebiet mögen noch nichts von der Militärbesatzung gehört haben – aber Israel herrscht eben seit 1967 unausgesetzt über die West Bank mit einer Flut tausender Militärerlasse (MO - Military Order), davon drei zu Wasser (MO #92, #158, #291). Die erste davon, MO #92 legte, ob es den Saarexperten nun ins Weltbild passt oder nicht, exakt 100% aller bestehenden Wasseranlagen und –vorkommen in die alleinige, unbeschränkte und unanfechtbare Hoheitsgewalt des „Military Official in Charge“, ernannt vom militärischen „Area Commander“. Nicht 99.9% sondern schlicht und ziemlich ergreifend 100%. Diese Wasserhoheit ist allumfassend:
„transportation, extraction, export, consumption, sale, distribution, inspection of its use, purification, allotment of shares, the establishment of water projects, measurement, prevention of contamination, carrying out of studies and measurements in anything that deals with water matters, drilling wells, hearing of objections and all proceedings dealing with any of the above laws, etc., fixing and collecting fees, taxes and any payments for any of the above and any other matter which has not been mentioned specifically above which deals in any way whatsoever with water subjects.“ (Auszug MO #92).
If any way, whatsoever... Fehlt noch was?

Einfach ausgedrückt, Israel hat sich nicht nur vorgenommen 100% der Kontrolle über die „palästinensische Wasserbezugsquelle im Westjordanland für sich zu beanspruchen“, sondern setzt diesen Anspruch auch täglich mit Macht, und wo nötig, mit Waffengewalt durch. Diese Militärerlasse wurden von Oslo nicht außer Kraft gesetzt sondern de-facto sogar noch bestätigt! Und sie gelten eben nicht nur in B- und C-Gebieten. Die israelische Wasserhoheit, der Zwang zu israelischen permits (gemäss MO #158[16]) erstreckt sich auch auf die A-Gebiete. Die Aktion 3w-Experten wissen nicht einmal ansatzweise wovon sie reden.

Zurück zu Amnesty. Wenn Amnesty im Original behauptet: „Palestinians have access to one fifth of the resources of the Mountain Aquifer. Palestinians abstract about 20% of the “estimated potential” of the aquifers that underlie both the West Bank and Israel“, dann muss hier betont werden, dass es sich a) um die Menge der realen Entnahmen handelt (nicht um die Verfügungsgewalt) und b) um den 20% Anteil am sog.”estimated potential“, der wiederum nicht mit der wirklichen Dargebots- oder Entnahmemenge kongruent ist. Auf die Gefahr hin, dass die Freunde von der Saar längst nicht mehr folgen können: Das sogenannte „estimated potential“ ist eine von Israel in Oslo eingeführte und sowohl technisch als auch politisch höchst problematische Größe. Es mag den saarländischen Wasserschützern entgangen sein, aber was Amnesty hier tatsächlich behauptet ist nichts weniger, als dass sich Israel sogar weit mehr als 80% des Wassers illegal aber sehr real aneignet![17] „Israel abstracts the balance, and in addition overdraws without JWC [Joint Water Committee] approval on the “estimated potential” by more than 50%, up to 1.8 times its share under Oslo.“ (beide Zitate aus AI 2009: 10).

Noch ein Wort zu „den erwähnten absprachewidrigen Maßnahmen. Das findet Amnesty jedoch nicht im Geringsten kritikwürdig“. Auch hier wieder – sorry – eine dreiste Lüge aus dem Aktionskreis, oder schlichte Unkenntnis des Berichts, der da besprochen wird: Amnesty schreibt an vielen Stellen über exakt diese Themen und zwar nicht einmal verständnisvoll, sondern oft beinahe teilnahmslos und neutral, z.B. auf S. 4:
„In the face of water shortages and amid deepening poverty in recent years some Palestinians have resorted to drilling unlicensed wells, while others have connected to the water network illegally, and many have stopped paying their water bills. These practices have further compounded the problem by undermining the economic viability and the authority of the PWA, which has proved to be unable or unwilling to stop such practices.“

Und auf S. 10 steht bei Amnesty: „Palestinians also extract some 10 MCM/Y from unlicensed wells and obtain some 3.5 MCM/Y from illegal connections to Israeli water lines in the West Bank.28“

Amnesty schreibt in diesem Zusammenhang sogar offen kritisch über die palästinensischen Verwaltung. Das passt natürlich nicht ins Weltbild, steht aber da, auf S. 66:
„The PWA’s inability to satisfy the population’s needs has greatly undermined its authority and thus, its ability to confront and overcome long-standing practices that further weaken the water structure, including: water theft through illegal connections and unauthorized water extractions; … For example, in the summer of 2007 Palestinian farmers’ illegal connections to the Mekorot water mains close to the village of Bani Na’im, south of Hebron, left the village with a large water bill but virtually no water.“[18]

Und nach all dem muss sich also Amnesty vorwerfen lassen, es fände dies “nicht im Geringsten kritikwürdig”?!... Gibt es etwa einen zweiten Phantombericht von Amnesty, der nur an der Saar vorliegt?

Saarländische Suppenküche – II

„Die Tätigkeit zahlreicher NGOs in den palästinensischen Gebieten hat mit humanitärer Hilfe nichts zu tun,... “

Interessant, dass die Aktion 3. Welt Saar ausgerechnet humanitäre Almosen zu ihrem entwicklungspolitischen Ideal erhebt. Jegliche Form der Entwicklungszusammenarbeit – vor allem von NGO’s, denn die staatliche GO-Entwicklungshilfe wird ja in der Flugschrift weder thematisiert noch kritisiert – sei ein „Hilfsbusiness“, so die wenig bahnbrechende und ebenso hilflose wie moralinsaure Erkenntniss aus dem Saarland. Diese Schelte darf aber nicht als auch nur zart antikapitalistisch angehauchte Kritik missverstanden werden. Denn als Gegenentwurf zum „Hilfsbusiness“ fällt den Vordenkern tatsächlich nur ein: „Katastrophenhilfe ist meist richtig und sinnvoll.“

Durchgehend wird in der Flugschrift, die rein „humanitäre Hilfe“ in „in akuten Notsituationen“ als Ideal dargestellt, zu der es angeblich „keine Alternative“ gebe. „Karitative(r) Hilfe ... ist ... ein Muss.“

Wohl auch gerade deshalb haben sich die 3.Welt-Freunde von der Saar Amnesty International als Zielscheibe ausgesucht. Sie können es Amnesty offenbar nicht verzeihen, dass Amnesty in der West Bank keine karitativen Wasserkanister austeilt, sondern eine politische Analyse der Diskriminierungspolitik Israel’s im Wassersektor vorgelegt hat; eine Kritik, die das Fehlen jeglicher Entwicklungsperspektive unter Beibehaltung des diskriminierenden Besatzungsregimes thematisiert.

Der Wasserkonflikt – aus der Saarperspektive

Abschliessend noch etwas zur hydropolitischen Gesamtschau aus dem westdeutschen Zonenrandgebiet:
Aktion 3. Welt Saar stellt fest, dass in der grenzüberschreitenden Natur der Bergaquifere „ein wesentlicher Teil des Streits begründet„ sei. Richtig, oder vielmehr: Beinahe richtig. Denn bestünde nicht der rassistische und klassisch kolonialistische Alleinnutzunganspruch Israel’s über alles Wasser, ließe sich natürlich, wie überall auf der Welt, eine vernünftige Kompromisslösung nach internationalem Wasserrecht finden – gemäß der Formel „reasonable and equitable share“.
Daß jedoch 100% Kontrolle über den Jordan und die Bergaquifere und fast 90% der Aquiferentnahmen als fair, vernünftig und gleichberechtigt betrachtet werden können, mag wohl alleinig den Siedlerfreunden von der Saar, und dies auch nur in Bezug auf Israel und seine illegalen Siedlungen einleuchtend erscheinen.

Sodann wird uns bekannt gegeben, dass „die israelische Wasserbehörde damit (argumentiert), dass sich viele Quellen in Gebieten befinden, die bereits vor 1967 zu Israel gehörten. Um zwischen diesen beiden Sichtweisen einen Kompromiss zu finden, regelten Oslo II und anschließend das JWC die Verteilung dieser Wasservorräte, die auch für Israel existenziell wichtig sind.“

Verräterisch, das Wort von denjenigen „Gebieten ... die bereits vor 1967 zu Israel gehörten“. Das heißt, für die internationalen Rechtsexperten der Aktion 3. Welt Saar gehören nach 1967 die besetzten Gebiete durchaus zu Israel, sind also gar nicht besetzt, sondern lediglich und bestenfalls „disputed territories“ – also ähnlich wie die Ostmark und die Rest-Tschechei? So, exakt so argumentieren die Hardcore-Siedler. Eine schöne Gemeinschaft, in die sich die saarländischen Entwicklungshelfer da begeben haben!
Interessant. Nur, IWA argumentiert so nicht. Auch hier haben die Saarfreunde nicht genau hingesehen, bzw. sich nicht in Israel informiert. Die Quellen, die in Israel in den Grenzen bis 1967 liegen sind eben genau nicht Gegenstand des Streits!

Wieder drängt sich die Frage auf, ob die Oberlehrer von der Saar überhaupt des Deutschen mächtig genug sind, um zu wissen, was mit dem Wort „Quellen“ gemeint ist – ‚springs‘ oder ‚sources‘? – ortsgebundene Quellaustrittspunkte, also Quellen im hydrologischen Sinne, oder allgemein eine Bezugsquelle, ein Vorrat, Speicher oder versorgender Ursprungspunkt. Nur in ersterem Fall, macht der Ausdruck „Quellen in den Gebieten Israels vor 1967“ einen logischen Sinn; ansonsten ist der Witz an ‚transboundary aquifers‘ ja eben darin begründet, dass das Wasser von A nach B fließt, also von den besetzten Gebieten zu den Besetzergebieten.

Und deshalb – der „wesentliche(r) Teil des Streits“ sind eben nicht die Quellen, schon gar nicht die in Israel, sondern die Brunnen; eben jene tausende Brunnen, die die Palästinenser nicht bohren durften, nicht bohren dürfen, und - wenn es nach den Wasserfürsten an der Saar ginge – auch nie sollen bohren dürfen!
Die Palästinenser haben während keiner Verhandlungsrunde (von Madrid bis Kerry) und in keinem Positionspapier irgendeinen Anspruch auf die Quellen in Israel erhoben, weder auf die ‘Auja (Yarqon) Quelle nahe Tel Aviv oder die Timsah (Taninim) Quellgruppe unweit Haifa’ s, beide im Westlichen Aquifer, noch auf die Harod und Jilbu‘ (Gilboa) Quellen im Marj Ibn ‘Amer im Nordöstlichen Bergaquifer, noch gar auf die Ein Gedi Quellen im Östlichen Aquifer!
Hier reiten sich die Saarhelfer bei ihren eigenen israelischen Freunden in die Bredouille. Israel würde ihnen was husten, wenn es ernsthaft über diese Quellaustrittspunkte verhandeln sollte! Was hier spricht, ist die reine, unbefleckte Ahnungslosigkeit von der Saar.

Bleibt lediglich übrig, dass „die PA – und mit ihr Amnesty International – darauf besteht, dass der über dem Westjordanland niedergehende Regen größtenteils den Palästinensern zusteht“. Tja, ertappt! Das ist nun wirklich eine Unverfrorenheit seitens der Palästinenser und eine entlarvend antisemitische Zumutung Amnesty’s, dass sie tatsächlich den Regen, der auf Ramallah fällt als Ramallah zustehend betrachten – zumindest „größtenteils“!
Doch siehe, Rettung naht von der Saar – ein Kompromiss: Der besteht aus Oslo und dem JWC (dem gemeinsamen Wasserkomitee – Joint Water Committee). Und dieser Kompromiss – 20 Jahre Oslo – haben exakt dazu geführt, dass bis heute die weltweit und weltgeschichtlich einmaligen Military Orders zu Wasser weiter in Kraft sind, wonach Palästinenser selbst bestehende „legale“ Brunnen nicht reparieren dürfen, dass – ganz folgerichtig für die Saarlogik – Regensammelanlagen von Israel als illegal betrachtet und behandelt (vulgo, zerstört) werden, dass die reale Wasserförderung in der West Bank seit Oslo-II nicht nur nicht gestiegen sondern um fast exakt 20 Millionen Kubikmeter (1/6) gesunken ist!

Der Durchbruch – der historische Wasserkompromiss von der Saar

Fürwahr, ein echter Kompromiss, da ja die autochthonen West Bank Wasserressourcen aus dem Blickwinkel der ziemlich weit entfernten Saarländer nur „für Israel existenziell wichtig sind“. Existentiell wichtig?

Hier ist sie wieder – die Opferrolle, in der sich und den Saarländern Israel so gut gefällt. Israel hat laut Oslo-II für die Übergangsperiode bis 1999 einen Anspruch auf 483[19] Millionen Kubikmeter (MCM) Wasserentnahme pro Jahr aus den Aquiferen, die der West Bank entspringen. Israel überpumpt diese Menge um 205 MCM pro Jahr[20]. Illegal. Einfach so. Bis zu den Recken ins Saarland ist diese Information noch nicht vorgedrungen.

Daneben hat Israel aber auch das gesamte Wasser aus dem oberen Jordan (400-700MCM), 450 MCM aus dem Küstenaquifer, 40MCM aus dem Karmel Aquifer, 140 MCM aus den West-Galiläa Aquiferen und 120MCM aus den Negev/Araba Aquiferen!
Existentiell?
Darüberhinaus nutzt Israel fast 400 MCM an wiederaufbreitetem Abwasser. Existentiell?
Und dann hat Israel während der letzten 11 Jahre seine Trinkwasserversorgung stillschweigend privatisiert, durch bald 650MCM aus Meerwasserentsalzung! (Dieses Wasser wird dann großzügig an die Palästinenser zu enormen Preisen verkauft[21], und in stetig steigendem Umfang – wie Gvirtzman und seine Nachhut an der Saar nicht müde werden zu betonen.) Existentiell?

Existentiell für Israel, aber nicht für die West Bank? Welches Wasser ist denn dann nach Meinung der Saarexperten für Palästinenser existentiell, wenn nicht das Grundwasser in und aus der West Bank (vom Jordan immer noch ganz zu schweigen)?
Oder ist es etwa so, dass für unsere tapferen saarländischen Entwicklungs- und Solidaritätsgelehrten schlicht GAR KEIN Wasser für Palästinenser als EXISTENTIELL erscheinen will, dass mithin die gesamte Existenz der Palästinenser nicht so recht existentiell erscheinen mag?
Dazu gehört schon eine gehörige Portion altdeutscher Chuzpeh gegenüber elementaren, man könnte auch sagen, stinknormalen palästinensischen Lebensbedürfnissen, eine ziemlich ausgeprägte Feindschaft und Kaltschnäuzigkeit. Im Duktus der Antideutschen würde das wohl als VERNICHTUNGSWILLE tituliert werden. So weit wollen wir hier nicht gehen. Koloniale Arroganz reicht völlig.

Hier also steht er vor uns, der Wasserkompromiss für Israel und Palästina, die entwicklungspolitische Weltformel von der Saar – in all ihrer Pracht und Herrlichkeit:

Oslo forever! Alles was darüber hinausginge wäre existentiell bedrohend für Israel. Das bedeutet Besatzung forever. Military orders forever. 100% israelische Kontrolle über alles Wasser, das israelische, wie auch palästinensische Wasser – forever! Restriktionen (Welt Bank), Military Permits, Denied Access (Amnesty), Hydro-Apartheid (Al-Haq) – forever & ever!

Eine Besucherdelegation aus Südafrika kam vor Jahren völlig entsetzt aus Nablus: „Israel is giving the word ‚Apartheid‘ a bad name!“ Wenn das die Gesellschaft ist, in der sich die Wasserfreunde von der Saar wohl fühlen, verwundert es kaum, dass sie den außergewöhnlich detaillierten, extrem gut recherchierten, faktenreich und anschaulich belegten und überdies politisch ebenso weitsichtigen wie tiefblickenden Amnesty Bericht aus dem Jahre 2009 als „einseitige Verteufelung“ betrachten müssen.

Die Aktion 3. Welt Saar hat eindrücklich belegt, dass sie weder von Wasser, noch von Palästina, noch von Israel auch nur das geringste versteht, aber gleichwohl um schlaumeierische, anmaßende Belehrungen und Maßregelungen aus ihren wohlbeheizten Redaktionsstuben nicht verlegen ist.

Zum Abschied, eine Versöhnung:

Man gestatte uns, von unserm Gegenstand, der sicher oft trocken und trist genug war, in versöhnend-heiterer Weise Abschied zu nehmen. Solange wir die einzelnen Fragepunkte abzuhandeln hatten, war das Urteil gebunden durch die objektiven, unbestreitbaren Tatsachen; es musste nach diesen Tatsachen oft genug scharf und selbst hart ausfallen. Jetzt, wo Wasserrecht, Hydrogeologie und Entwicklungspolitik hinter uns liegen, wo das Gesamtbild des Schriftstellers vor uns steht, den wir im einzelnen zu beurteilen hatten, jetzt können menschliche Rücksichten in den Vordergrund treten; jetzt wird es uns gestattet, manche sonst unbegreifliche wissenschaftliche Abirrungen und Überhebungen zurückzuführen auf persönliche Ursachen, und unser Gesamturteil über die AKTION 3. WELT SAAR zusammenzufassen in den Worten: Unzurechnungsfähigkeit aus Größenwahn.

Friedrich Engels (1877/78): Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft („Anti-Dühring")

Clemens Messerschmid
Hydrogeologe im Hilfsbusiness
Ramallah, Dezember, 2013


[1] Veranstaltungshinweis: "NGOs zwischen Hilfe & Hilfsbusiness - Beispiel Palästina" Vortrag, 28.2.2014, Saarbrücken; Veranstalter: Aktion 3.Welt Saar e.V., in Zusammenarbeit mit der Heinrich Böll Stiftung Saar, unterstützt vom Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes.
[2] Amnesty International (2009): Troubled Waters – Palestinians denied fair access to water https://www.amnesty.org/ar/library/asset/MDE15/027/2009/ar/e9892ce4-7fba-469b-96b9-c1e1084c620c/mde150272009en.pdf
[3] http://siteresources.worldbank.org/INTWESTBANKGAZA/Resources/WaterRestrictionsReport18Apr2009.pdf
[4] Nach Sarah Roy’s Studie über Gaza so etwas wie “aktive Herunterentwicklung” – oder vielleicht im deutsch-deutschen Kontext: ‚Abwicklung‘?
[5] http://www.water.gov.il/Hebrew/ProfessionalInfoAndData/2012/02-Israel-Water-Sector-Overall-Review.pdf
[6] Und einmal taucht auch das Wort “Besatzung” auf: „Könnte es sein, dass es den AktivistInnen weniger darum ging, notleidenden PalästinenserInnen zu helfen, als vor allem darum, für Bildr zu sorgen, mit denen Israel als brutal und unmenschlich vorgehende Besatzungsmacht angeklagt werden kann?“ Wer demnach weiter von ‚Besatzung’ spricht, oder Gott behüte!, aktiv dagegen arbeitet, der oder die hat sich demnach selbst als jemand entlarvt, dem oder der es gar nicht darum gehen kann „notleidenden PalästinenserInnen zu helfen“! – So eine Logik ist nicht dumm, sondern perfide.
[7] Zitat von Reuters:
http://uk.reuters.com/article/2009/10/27/uk-palestinians-israel-amnesty-idUKTRE59Q04L20091027. Beinahe gleichlautend zu finden in:
http://mg.co.za/article/2009-10-26-amnesty-israel-curbing-water-to-palestinians: „Israel’s water authority said those numbers are misleading, because they take into account internal distribution and do not compare total water consumption. It says the total numbers are 408 litres per day for Israelis and 287 litres for Palestinians.“ Oder in 'The Independent':
http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/israel-accused-of-denying-palestinians-access-to-water-1809948.html “Israel's water authority complained the report was "biased and incorrect" and said it had met its obligations under the Oslo agreement while Palestinians were not distributing water efficiently. It also challenged the Amnesty figures and said the real gap was 408 litres per head in Israel and 287 litres for the Palestinians.”
[8] The Issue of Water between Israel and the Palestinians (March 2009)
http://siteresources.worldbank.org/INTWESTBANKGAZA/Resources/IsraelWaterAuthorityresponse.pdf
[9] http://www.martinsherman.org/Rebuttal_of_Amnesty_report_on_water_as_ethnic_cleansing%20ENG4.pdf
[10] Dieser hat auch einige Updates und weitere Verschärfungen verfasst, wie zum Beispiel:
http://www.water.gov.il/Hebrew/ProfessionalInfoAndData/2012/19-Water-Issues-between-Israel-and-Palestinians-Main-Facts.pdf (update 2012) als Präsentation. In manchen dieser Elaborate schaffte er es sogar, die Bevölkerung der West Bank kunstvoll auf lediglich 1.2 Millionen herunter zu „korrigieren“.
[11] In Gvirtzman’s world ist die halbe West Bank von Piraten besiedelt: Da gibt es Piratenbrunnen, Piratenreservoire, Piratenbohrlöcher, ja sogar Piratenpumpraten...
http://magazine.isees.org.il/ArticlePage.aspx?ArticleId=52
[12] http://www.alternativenews.org/english/images/stories/PDF/COGAT.pdf
[13] http://www.cogat.idf.il/SIP_STORAGE/files/4/3274.pdf
[14] Wie hoch sind eigentlich die Leitungsverluste, genauer gesagt, das nicht abgerechnte Wasser (unaccounted-for-water, UfW) im Saarland? Sind die die hier genannten 33% denn tatsächlich „enorm“? Und wie errechnen sich eigentlich jene 11% in Israel und 33% in der West Bank? Alles Fragen, auf deren sachkundige Antwort aus Saarbrücken wir uns noch freuen dürfen...
[15] Es sei angemerkt, dass die Wasserexperten von der Saar auch systematisch den Unterschied zwischen „sources“ und „springs“ verkennen, sei es weil sie kein englisch können, oder eben von Wasser nichts verstehen, oder auch beides...
[16] Dazu hier nur eine Zahl, die sich ausnahmsweise leicht merken lässt: Die Zahl der von Israel genehmigten (MO #158) und daher von Palästinensern gebohrten neuen Brunnen im wichtigsten, grössten, ergiebigsten und am besten zugänglichen Grundwasserbecken, dem Westlichen Aquifer, ist von 1967 bis Oslo, null. Von Oslo bis heute – ebenfalls: Null!
[17] Dabei ist der Jordanfluß gar nicht einberechnet, von dem bekanntlich Palästinenser keinen Tropfen abbekommen.
[18] Übrigens zitiert Amnesty auch Siedler zur Frage illegaler Massnahmen (S. 45): “A resident of Migron, an unauthorized settlement “outpost” established in 2003, boasted: “We are connected to the water grid, we have phone lines from the national company Bezeq, we have been hooked up by the electricity company and have street lighting.... How can we be ‘illegal’?”
[19] 340 mcm – Westlicher, 103mcm – Nordöstlicher und 40mcm – östlicher Bergaquifer.
[20] siehe oben zitiertes AIC fact sheet (AIC 2012: 4)
[21] und die Palästinenser, ganz nebenbei gesagt, gezwungen, den Entsalzungwahn Israel mitzusubventionieren, der einer Handvoll Öl- und Chemie- und Tankstellenmonopole Israels märchenhafte Profie beschert.

 (ts)

Ergänzende Links:
The Emergency Water, Sanitation and Hygiene group (EWASH)
Donor Opium

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